Lisztomanie

Mit der bereits 1840 in einem Feuilleton nachweisbaren Wortschöpfung Lisztomanie[1] charakterisierte der Dichter, Feuilletonist und Pariser Korrespondent der Allgemeinen Zeitung Heinrich Heine im April 1844 die musikalisch irrationale, aufsehenerregende und euphorische Begeisterung („Manie“), die der Klaviervirtuose Franz Liszt 1844 in Paris bei seinem Publikum hervorgerufen und dabei „die schöne Welt von Paris in Aufregung gesetzt“ hatte. Dabei erinnert Heine zugleich an Liszts berühmte Berliner Konzerte 1841/1842; 1842 entstand dort Theodor Hosemanns kolorierte Karikatur Im Conzertsaale.[2] Über die Aufregung des Publikums mutmaßte Heine: „Was ist aber der Grund dieser Erscheinung? Die Lösung der Frage gehört vielleicht eher in die Pathologie als in die Ästhetik.“[3][4]

Längst bevor Heine diesen Begriff übernahm, hatte sich eine Aura des „großen Agitators“ Liszt[5] gebildet.[6] Der Virtuose und die Eigendynamik (Lisztomanie) seiner europaweiten Fangemeinde bildeten in seiner Zeit ein künstlerisches „Alleinstellungsmerkmal“.

Der Begriff „Lisztomanie“ wurde in neuerer Zeit gerne in klischeehafter Weise gebraucht.[7] Abgewandelt wird er für die grenzenlose Euphorie des Publikums bei anderen Events verwendet, etwa für die „Beatlemania“ bei den Auftritten der Beatles.

Theodor Hosemann 1842: tumultartige Begeisterung „[i]m Concertsaale“ der Berliner Singakademie
  1. Jahrbücher des deutschen National-Vereins für Musik und ihre Wissenschaften. Zweiter Jahrgang Nr. 15, 9. April 1840, S. 120. Abgerufen am 20. Dezember 2019.
  2. Ad. Brennglas: Franz Liszt in Berlin. Eine Komödie in 3 Acten. Mit einem colorierten Titelkupfer von Ad. Brennglas (das ist Adolf Glasbrenner). Verlag von Ignaz Jackowitz, Leipzig 1842.
  3. Heinrich Heine Werke. Band 3: Lutetia. Insel, Frankfurt/M. 1968, Anhang S. 585–588.
  4. Anabelle Spanek: Lisztomanie als Diskurs über Virtuosität, Subjektivität und Gefühl. In: Christine Hoppe u. a. (Hrsg.): Exploring Virtuosities. Heinrich Wilhelm Ernst, Nineteenth-Century Musical Practices and Beyond. (= Göttingen Studies in Musicology/Göttinger Studien zur Musikwissenschaft) Olms, Hildesheim 2018. S. 376.
  5. Heine 1968, Band 3. Lutetia, S. 585/86.
  6. Minutiös nachgezeichnet durch Lina Ramann [1]
  7. Text des Budapester Liszt-Festivals 2016 zu Liszts 130. Todestag, der u. a. die Exzesse der zuhörenden Damen zur Liszt-Zeit kolportiert: Lisztomanie und mehr beim Budapester Frühlingsfestival. In: BachTrack.com. 13. Januar 2016, abgerufen am 27. September 2019.

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